Landesverfassung gewährt Piraten-Fraktion keinen Anspruch auf Landtagsvizepräsidenten
Die Landesverfassung begründet keinen Anspruch der Piraten-Fraktion, einen vierten Vizepräsidenten des Landtags zu stellen. Dies hat der Verfassungsgerichtshof NRW mit Beschluss vom 25. Oktober 2016 entschieden. Nachdem der von der Antragstellerin ‑ der Piraten-Fraktion ‑ zunächst gestellte vierte Vizepräsident im August 2014 von seinem Amt zurückgetreten war, hatte sie nacheinander drei ihrer Mitglieder als Nachfolger vorgeschlagen. Von den Vorgeschlagenen erhielt im Landtag bei den anschließenden Abstimmungen jedoch keiner eine Mehrheit. Hierdurch sah sich die Antragstellerin in ihrem Recht auf gleiche Teilhabe am politisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess aus Art. 30 Abs. 2 LV NRW verletzt und leitete ein Organstreitverfahren ein.
Der Verfassungsgerichtshof NRW hat dieses Verfahren für unzulässig gehalten. Er hat zur Begründung ausgeführt, der Antragstellerin fehle die Antragbefugnis. Es sei von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragsgegner ‑ der Landtag und dessen Präsidentin ‑ durch die unterbliebene Wahl eines Mitglieds der Antragstellerin zum vierten Vizepräsidenten des Landtags oder das Nichthinwirken auf eine solche Wahl verfassungsmäßige Rechte der Antragstellerin unmittelbar gefährdet oder verletzt hätten. Denn anders als es den Anträgen zugrunde liege, begründe die Verfassung keinen Anspruch einer Fraktion auf die Besetzung einer Stellvertreterposition. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 LV NRW könnten die Abgeordneten mit Mehrheit sowohl über die Zahl der Stellvertreter als auch über die zu wählenden Personen bestimmen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin unterliege dieses Recht keinen anderweitigen verfassungsrechtlichen Bindungen. Insbesondere sei unerheblich, dass die Präsidentin bzw. der Präsident und die Vizepräsidentinnen bzw. Vizepräsidenten gemeinsam das Präsidium des Landtags bildeten. Das Präsidium sei zwar ein parlamentarisches Konsultations- und Streitschlichtungsorgan. In dieser Funktion übe es aber keinen Einfluss auf die Willensbildung und Entscheidungsfindung des Landtags aus. Eine effektive Beteiligung der Fraktionen am parlamentarischen Beratungs- und Entscheidungsverfahren setze daher eine Vertretung im Präsidium nicht voraus. Es könne schließlich dahinstehen, ob aufgrund Geschäftsordnungsrechts jede Fraktion einen Vizepräsidentenposten beanspruchen könne. Bloße Geschäftsordnungsvorschriften begründeten keine verfassungskräftig geschützte Rechtsposition und könnten deshalb nicht Grundlage der Feststellung im Organstreit sein.
Aktenzeichen: VerfGH 6/16