Geschichte
Das Land Nordrhein-Westfalen wurde im Jahr 1946 durch die Zusammenlegung der früheren Provinzen Rheinland und Westfalen gegründet. Ob dieses neue Land eine eigene Verfassungsgerichtsbarkeit erhalten sollte, war umstritten. Der erste Entwurf einer Verfassung aus dem Jahr 1946 sah sie nicht vor. Demgegenüber enthielt bereits der zweite Entwurf einer Landesverfassung im Herbst 1947 Bestimmungen zur Errichtung eines Verfassungsgerichtshofs. Während die Befürworter ein Landesverfassungsgericht als wichtigen Bestandteil der zu schaffenden demokratischen Ordnung sahen, befürchteten die Gegner, dass eine Landesverfassungsgerichtsbarkeit die Staatlichkeit der Länder unverhältnismäßig stärken und die Einheit Deutschlands beeinträchtigen könnte.
Neben dieser grundsätzlichen Frage war in den Beratungen der beteiligten Gremien auch die Besetzung des Verfassungsgerichtshofs umstritten. Hier ging es insbesondere um die Frage, ob und inwieweit die Besetzung politisch beeinflusst werden sollte. In diesem Zusammenhang diskutiert wurden etwa das Zahlenverhältnis von Berufsrichtern, anderen Juristen und Laien zueinander sowie die Anzahl der Mitglieder kraft Amtes und der durch den Landtag gewählten Mitglieder.
Art. 76 der Landesverfassung, die am 11. Juli 1950 in Kraft trat, sah schließlich sieben Verfassungsrichterinnen und -richter vor, von denen drei Mitglieder kraft Amtes und vier gewählte Mitglieder waren. Der Verfassungsgerichtshof setzte sich danach zusammen aus dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, den beiden lebensältesten Oberlandesgerichtspräsidenten des Landes und vier vom Landtag auf die Dauer von sechs Jahren gewählten Mitgliedern, von denen die Hälfte die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst haben musste. Nach dem im März 1952 in Kraft getretenen Gesetz über den Verfassungsgerichtshof war der Präsident des Oberverwaltungsgerichts auch Präsident des Verfassungsgerichtshofs.
Diese Regelungen zur Besetzung des Verfassungsgerichtshofs wurden durch das Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2016 grundlegend geändert. Nach der neuen Fassung des Art. 76 der Landesverfassung werden alle Verfassungsrichterinnen und -richter für zehn Jahre durch den Landtag mit Zweidrittelmehrheit gewählt; sie müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Mitglieder kraft Amtes sieht die Verfassung nicht mehr vor. Die Amtszeit der Richter des Verfassungsgerichtshofes, die am 30. Juni 2017 im Amt sind, wird durch diese Neuregelung allerdings nicht berührt; für eine Übergangszeit gibt es daher noch Mitglieder kraft Amtes. Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs üben ihre Tätigkeit nebenamtlich aus; auf hauptamtliche Verfassungsrichterinnen und -richter wurde bewusst verzichtet.
Als Sitz des Verfassungsgerichtshofs wurde bereits im Jahr 1952 Münster bestimmt. Gründe hierfür waren zum einen der Wunsch der Stärkung Westfalens und zum anderen die Wahrung einer gewissen Distanz zum politischen Geschäft in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Der Verfassungsgerichtshof war bis August 2022 gemeinsam mit dem Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen in einem Gebäude untergebracht. Hier trat der Verfassungsgerichtshof im Mai 1952 erstmals zusammen. In seinen seitdem getroffenen Entscheidungen spiegeln sich die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen im Land in den letzten Jahrzehnten wider. In der Anfangszeit ergingen etwa wichtige Entscheidungen zur Eingliederung Lippes und zur kommunalen Neugliederung. In späteren Jahren ging es um die Einführung der Gesamtschule, die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung, die Verteilung von Flüchtlingen auf die Gemeinden, den Braunkohlenplan Garzweiler II, die Zusammenlegung von Justizministerium und Innenministerium und das allgemeinpolitische Mandat der Studierendenschaft, um nur einige Themen zu nennen. Aus der letzten Zeit sind die Entscheidungen zur Richter- und Beamtenbesoldung, zur Sperrklausel bei Kommunalwahlen sowie zur Gemeindefinanzierung zu erwähnen.
Eine wichtige Einschränkung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichthofs war bisher, dass die Bürgerinnen und Bürger keine Möglichkeit hatten, sich mit einer Verfassungsbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu wenden. Diese Möglichkeit wird ihnen nunmehr durch das Gesetz zur Einführung der Individualverfassungsbeschwerde ab dem 1. Januar 2019 eröffnet.