Erfolgloser Eilantrag gegen die Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens zum Bürgerenergiegesetz NRW - Bekanntgabe der Beschlussgründe
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2023 hat der Verfassungsgerichtshof in Münster einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, der darauf zielte, dem Landtag Nordrhein-Westfalen aufzugeben, die dritte Lesung zum Entwurf des Gesetzes über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an der Windenergienutzung in Nordrhein-Westfalen (Bürgerenergiegesetz NRW) nicht innerhalb der laufenden Sitzungswoche durchzuführen (vgl. Pressemitteilung vom 14. Dezember 2023).
Der Verfassungsgerichtshof hat die Entscheidung über die einstweilige Anordnung wegen der Eilbedürftigkeit zunächst ohne Begründung bekanntgegeben. In der nunmehr gesondert übermittelten Begründung hat der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:
Die Erfolgsaussicht des in der Hauptsache anhängigen Antrags im Organstreitverfahren ist offen. In der Hauptsache wird eingehend zu prüfen sein, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens sich aus den vom Antragsteller als verletzt gerügten Bestimmungen der Landesverfassung im Einzelnen ergeben. Ausgehend davon wird zu klären sein, ob die kurzfristige Abfolge von Einbringung des Änderungsantrags, zweiter und dritter Lesung innerhalb von weniger als drei Tagen den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt oder der Antragsgegner durch eine unsachgemäße Überbeschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens die Rechte des Antragstellers verletzt. Die deshalb anzustellende Folgenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus.
Erginge die einstweilige Anordnung, bliebe dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg versagt, käme es zu einem erheblichen Eingriff in die Autonomie des Parlaments beziehungsweise der Parlamentsmehrheit und damit in die originäre Zuständigkeit eines anderen obersten Verfassungsorgans. Von einem solchen Eingriff ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich abzusehen.
Erginge die einstweilige Anordnung nicht, hätte der Antrag in der Hauptsache aber Erfolg, käme es zu einer irreversiblen, substantiellen Verletzung der Abgeordnetenrechte des Antragstellers. Ihm wäre unwiederbringlich die Möglichkeit genommen, bei den Beratungen und der Beschlussfassung über das Bürgerenergiegesetz NRW seine Mitwirkungsrechte in dem verfassungsrechtlich garantierten Umfang wahrzunehmen.
Eine solche irreversible Verletzung der Mitwirkungsrechte des Antragstellers wäre von besonderem Gewicht. Dies folgt bereits, aber nicht allein, daraus, dass dann die Wahrnehmung eines fundamentalen Rechts eines vom Volke gewählten Abgeordneten in dem verfassungsrechtlich zentralen und demokratisch höchst bedeutsamen Vorgang der Gesetzgebung beeinträchtigt würde. Erschwerend käme hinzu, dass hier die Wahrung der Rechte der parlamentarischen Minderheit in Rede steht. Es wäre dem Vertrauen in den diskursiven Prozess der Gesetzgebung und der Akzeptanz von Gesetzen abträglich und würde das Gesetzgebungsverfahren insgesamt entwerten, wenn die regierungstragende Mehrheit im Landtag durch eine verfassungswidrige Überbeschleunigung des Verfahrens den Eindruck erwecken würde, dass vor dem Hintergrund ohnehin gesicherter Mehrheiten die Sachkunde und Meinung der ebenfalls demokratisch legitimierten Oppositionsfraktionen vernachlässigt werden könnten.
Wenngleich eine solche gewichtige irreversible Verletzung der Rechte des Antragstellers einerseits nicht offensichtlich verneint werden kann, kann sie andererseits aber – nach den hier nach Aktenlage zweifelsfrei feststehenden Umständen – nicht mit einer solchen Wahrscheinlichkeit der Folgenabwägung zugrunde gelegt werden, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung entsprechend den dafür geltenden strengen Voraussetzungen als unabweisbar anzusehen und der begehrte Eingriff in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans geboten wäre. Hierfür hätten sich die tatsächlichen und im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts aktenkundigen Anhaltspunkte für eine verfassungswidrige Überbeschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens weiter verdichten müssen.