SPD und Bündnis 90/Die Grünen durften Entschließungsanträge der CDU-Fraktion nicht ändern
Dies hat der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof durch heute verkündetes Urteil festgestellt und damit entsprechenden Anträgen der CDU-Landtagsfraktion gegen den Landtag Nordrhein-Westfalen und dessen Präsidenten stattgegeben.
Die CDU-Fraktion hatte anläßlich der Beratung des Haushaltsplans für das Jahr 1997 vier Entschließungsanträge gestellt. Sie betrafen die Themen Rhein-Ruhr-Flughafen, Bio- und Gentechnologie, Arbeitsplatzabgabe sowie das Projekt Garzweiler II. Zu diesen Entschließungsanträgen stellten die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen jeweils gemeinsame Änderungsanträge. Der Landtagspräsident stellte zunächst diese Änderungsanträge zur Abstimmung, die mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU angenommen wurden. Anschließend stellte der Präsident die Anträge der CDU-Fraktion in der Fassung der zuvor angenommenen Änderungsanträge zur Abstimmung. In dieser Fassung wurden die Anträge wiederum mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU angenommen. Über die Entschließungsanträge der CDU-Fraktion in ihrer ursprünglichen Fassung wurde nicht abgestimmt.
Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Vorgehen eine Verletzung der Rechte der CDU-Fraktion gesehen. In der mündlichen Urteilsbegründung führte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Bertrams hierzu unter anderem aus:
Aus der Landesverfassung folge das Recht einer Fraktion, im Parlament Anträge zu stellen. Das Antragsrecht begründe einen Anspruch darauf, daß das Parlament über den Antrag berate und - durch Annahme oder Ablehnung - Beschluß fasse. Dies schließe zwar nicht aus, Änderungsanträge zur Abstimmung zuzulassen. Änderungsanträge dürften aber nicht dazu benutzt werden, einer Beschlußfassung über den Gegenstand des ursprünglichen Antrags auszuweichen. Das gelte auch für Entschließungsanträge. Unzulässig seien deshalb Änderungsanträge, die den Gegenstand eines Entschließungsantrags auswechselten, ihn in ein "aliud" umformten. Von einer solchen Umformung sei hier mit Blick auf die streitigen Änderungsanträge auszugehen. Die CDU-Fraktion habe mit ihren Entschließungsanträgen jeweils konkrete, auf ganz bestimmte Probleme zugespitzte Aussagen formuliert, um Meinungsunterschiede innerhalb der Regierung und der sie tragenden Parteien aufzudecken. Die Änderungsanträge hätten an ihre Stelle mehr oder weniger unverbindliche Aussagen gesetzt, die Meinungsunterschiede nicht mehr hätten zutage treten lassen. Die von der CDU-Fraktion zur Diskussion gestellten konkreten Streitfragen seien damit gleichsam von der Tagesordnung abgesetzt worden, ohne daß der Landtag sich ablehnend oder zustimmend zu ihnen geäußert hätte.
- VerfGH 6/97 -